Wattenmeer-Schutz Cuxhaven
Wattenmeer-Schutz Cuxhaven

Änderung der Umlagerungsstrategie ab 2006 - mit Wedeler Baggergut fing es an

Tanja Schlampp, 23. Februar 2017

Seit der letzten Elbvertiefung im Jahr 2000 haben sich die Baggerschwerpunkte im Zuständigkeitsbereich des WSA Hamburg stromauf nach Wedel verlagert. So stiegen die jährlichen Baggermengen im Bereich Wedel von 1999 bis 2004 um mehr als das 10 fache von 200.000 m³ auf etwa 2,5 Mio. m³ an.

 

Ein weiterer Baggerschwerpunkt hat sich in der Delegationsstrecke (Hamburger Hafen) gebildet, der in den Zuständigkeitsbereich der Hamburg Port Authority (HPA) fällt. Im Jahr 1999 wurden im Hamburger Hafen 3-4 Mio. m³ Schlick gebaggert. In 2004 stieg die jährliche Baggermengen um das 3-fache auf fast 10 Mio. m³ an.

 

Vor 2006 wurde das gebaggerte Material aus dem Bereich Wedel in nahe gelegene Verbringstellen umgelagert. Das ist sinnvoll, da die Schadstoffbelastung der umgelagerten Sedimente und die Bodenbelastung der Verbringstelle sich in etwa entsprechen.

 

Seit der letzten Elbvertiefung haben mit der erhöhten Flutstromdominanz die Baggermengen stromauf um ein Vielfaches zugenommen. Aufgrund der daraus resultierenden Verschiebung der Baggerschwerpunkte in den Bereich Wedel und im Hamburger Hafen wurde die Umlagerungsstrategie der WSV im Jahr 2006 grundlegend geändert. Das gebaggerte Material aus dem Bereich Wedel wird seitdem überwiegend stromab in ebbstromdominante Bereiche umgelagert. Ziel dieser veränderten Umlagerungsstrategie ist ein Durchbrechen der kostspieligen Kreislaufbaggerei. Mit der gleichen Zielsetzung wird seit 2005 ein Teil des gebaggerten Hamburger Hafenschlicks bei Tonne E 3 vor Helgoland verklappt.

 

Quelle: 2010-07-27 bfg_Untersuchungen zur Dynamik von Feststoffen und feststoffgebundenen Schadstoffen für den Verbringbereich bei Elbe-km 688/690, Seite 5

 

In beiden Fällen wird erstmals seit Geschichte der Unterhaltungspraxis der WSV und HPA belastetes Baggermaterial in fast unbelastete Bereiche umgelagert. Diese Praxis hat es noch nie zuvor gegeben. Vor 1995 wurde Hamburger Hafenschlick sogar vollständig an Land aufbereitet und entsorgt. Erst seit 1995 hat man einen Großteil des Baggerguts aus dem Hamburger Hafen unterhalb der Landesgrenze bei Neßsand verbracht, da die Belastung dort in etwa die der Belastungssituation des Hamburger Hafenschlicks entspricht.

 

Im Bereich Wedel lagern sich sowohl die Sedimente von den Umlagerungsstellen im Zuständigkeitsbereich des WSA Hamburg an (von Unterstrom) als auch von der Verbringstelle Neßsand (von Oberstrom) an.

 

Zum Durchbrechen der Kreislaufbaggerungen soll das gebaggerte Material dorthin verbracht werden, wo ein Rücktransport weitestgehend ausgeschlossen ist. Mit Zustimmung der Länder seien kurzfristig Umlagerungsstrategien von Baggergut aus dem Bereich Wedel in Bereiche stromab der Tideelbe umsetzbar, die die Kreislaufprozesse nicht mehr unterstützen.

 

Quelle: 2008-06-01 HPA, WSV; Strombau- und Sedimentmanagementkonzept Tideelbe, Seite 19.

 

Die unten stehende Tabelle zeigt auf, wie sehr sich die Umlagerungspraxis verändert hat. Seit 2006 wird der Schlick aus dem Amtsbereich Hamburg nicht mehr ortsnah verbracht, sondern weiter stromab Richtung Mündungstrichter Cuxhaven.

Abbildung 1: Neue Umlagerungsstrategie: Seit 2006 wird Baggergut aus dem Zuständigkeitsgebiet des WSA Hamburg (überwiegend aus Wedel stammend), in stromab des Störbogens gelegene Bereiche umgelagert.

Quelle: https://www.portaltideelbe.de/Projekte/StromundSediTideelbe/Umlagerungsstrategie

Die veränderte Umlagerungsstrategie hat, wie wir noch feststellen werden, gravierende Auswirkungen auf das Ökosystem Wattenmeer. In der vom WSA Cuxhaven in Auftrag gegebenen Systemstudie I wurden verschiedene Umlagerungsoptionen für das im Bereich Wedel gebaggerte Feinsediment (Schluffe und Feinsande) untersucht. Die Unterbringungsmöglichkeiten (Verklappstellen) werden in vier Bereiche der Tideelbe zwischen km 645 bis km 760 anhand ihrer ökologischen Auswirkungen eingeschätzt..

Verbringbereiche Kilometer-Bereich Geographische Lage
Bereich 4 km 730-760 Leitdamm Cux. bis Neuwerk/Scharhörn
Bereich 3 km 700-730

Osteriff bis Leitdamm Cuxhaven

Bereich 2 km 665-700 Steindeich bis Osteriff
Bereich 1 km 645-665 Lühesand bis Pagensand
Wedel km 640  

Quelle: BfG 2008: WSV-Sedimentmanagement Tideelbe – Strategien und Potenziale – eine Systemstudie. Ökologische Auswirkungen der Umlagerung von Wedeler Baggergut, Untersuchung im Auftrag des Wasser- und Schifffahrtsamtes Cuxhaven. Bundesanstalt für Gewässerkunde, Seite 314.+ eigene Ergänzungen und Aufbereitung (T. Schlampp)

 

 

Die Studie weist darauf hin, dass es keine ökologisch verträgliche Option zum Verbringen von Baggergut aus dem Bereich Wedel gibt. Wörtlich heißt es:

 

„Die Systemstudie zeigt auf, dass es keinen für alle ökologisch relevanten Themen gleichermaßen geeigneten Bereich für die Umlagerung von Wedel Baggergut in der Tideelbe gibt. Unter den zurzeit in der Tideelbe bestehenden Bedingungen ist bei allen Umlagerungsszenarien … eine Verschlechtung des Zustandes zu erwarten.“

Quelle: BfG 2008: WSV-Sedimentmanagement Tideelbe – Strategien und Potenziale – eine Systemstudie. Ökologische Auswirkungen der Umlagerung von Wedeler Baggergut, Untersuchung im Auftrag des Wasser- und Schifffahrtsamtes Cuxhaven. Bundesanstalt für Gewässerkunde, Seite 19.

 

Unter Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile wird in der Systemstudie I der Bereich 3 (Cuxhaven/Otterndorf) als bestmögliches Verklappungsgebiet für Baggergut aus Wedel gewählt. Die Vorteile werden darin gesehen, dass weniger Material nach Wedel zurück driftet und die Menge an Schwebstoffen im Bereich 1 und dem Baggerbereich Wedel abnimmt. Außerdem:

 

„Bei einer Verbringung des Wedel Baggergutes in den Mündungstrichter stromab von km 700 kann zudem der Sandanteil des verbrachten Baggergutes, der im Mittel etwa 60% ausmacht, dazu beitragen, der Erosionstendenz in einigen Bereichen des Mündungstrichters entgegenzuwirken“

BfG 2008: WSV-Sedimentmanagement Tideelbe – Strategien und Potenziale – eine Systemstudie. Ökologische Auswirkungen der Umlagerung von Wedeler Baggergut, Untersuchung im Auftrag des Wasser- und Schifffahrtsamtes Cuxhaven. Bundesanstalt für Gewässerkunde, Seite 314.

 

Das heißt im Umkehrschluss, dass die Verklappungen am Leitdamm Cuxhaven einen Schlickanteil von 40% enthalten. Bisher hat das WSA Cuxhaven der Stadt und den Cuxhavener Bürgern gegenüber erklärt, dass es sich bei den Verklappungen am Leitdamm um vorsorgliche Sandaufschüttungen handeln würden, die den Leitdamm vor Auskolkungen schützen solle.

 

Quelle: 2009-02-15 Pressemitteilung WSA Cuxhaven_Sandumlagerung zum Schutz des Leitdamms Das WSA Cuxhaven bringt Baggergut zum Leitdamm, um ihn gegen Erosion zu schützen.

 

 

Wir wissen nun, dass es sich nicht nur um unbelasteten Sand der Unterhaltungsbaggerei aus dem Zuständigkeitsbereich des WSA Cuxhaven handelt, sondern zusätzlich um schadstoffbelastetes Baggergut aus Wedel, das in den Zuständigkeitsbereich des WSA Hamburg fällt. Das Baggergut enthält nicht nur einen Feinsedimentanteil von 40%, sondern ist deutlich höher mit Schadstoffen belastet als das Baggergut, das im Bereich 3 zur Unterhaltung des Seefahrtweges ausgebaggert wird.

 

Im Unterschied zu Sand weist Schlick ein hohes Bindevermögen für Schadstoffe auf und ist mit Quecksilber, Kupfer, PCB und anderen Schadstoffen in der Regel deutlich belastet.

 

Im Zeitraum zwischen 2007 bis 2011 wurden direkt vor dem Leitdamm (km 731) 6,8 Mio. Kubikmeter Baggergut verbracht, davon 2,5 Mio. Kubikmeter Feinmaterial (Schlick).

 

Quelle: BfG 2014: Sedimentmanagement Tideelbe – Strategien und Potenziale - Systemstudie II. Ökologische Auswirkungen der Unterbringung von Feinmaterial. Im Auftrag des WSA Hamburg. Bundesanstalt für Gewässerkunde Koblenz. Anhang 3: Vorgaben zu Baggermengen, Seite A 8, Tabelle A4-1: Verbringmengen – IST-Zustand.

 

Über die mit der Umlagerung in den Bereich 3 (Osteriff bis Cuxhaven) verbundene Schadstoffeintragung und der Verdriftung in die Watten heißt es in der Systemstudie I wörtlich:

 

„Mit einer Umlagerung in den Bereich 3 würden größere Mengen an Schadstoffen schneller als bisher in die derzeit gering belasteten Bereiche 3 und 4 gelangen, in die Küstenwatten und die Deutsche Bucht verdriften und zu einer wahrscheinlich geringen, aber weiträumigen Belastung führen. Die großräumige Verteilung in die deutsche Bucht wird aber als geringer als bei einer Umlagerung im Bereich 4 eingeschätzt“.

Quelle: BfG 2008: WSV-Sedimentmanagement Tideelbe – Strategien und Potenziale – eine Systemstudie. Ökologische Auswirkungen der Umlagerung von Wedeler Baggergut, Untersuchung im Auftrag des Wasser- und Schifffahrtsamtes Cuxhaven. Bundesanstalt für Gewässerkunde,, Seite 314

 

 

In der Systemstudie I werden abschließend verschiedene Untersuchungserfordernisse aufgeführt. Wir möchten hier nur zwei nennen, die wir für unser Ökosystem Cuxhavener Watt für besonders wichtig halten. Es wird empfohlen, Untersuchungen zu den Auswirkungen auf das Makrozoobenthos (=Wattwürmer, Krebse & Co.) zu erstellen sowie zu der Verdriftung von Feststoffen und der Schadstoffmobilisierung.

 

Quelle: 2008-06-30 BfG+WSV_Auftraggeber WSA Cuxhaven_Systemstudie I Ökologische Auswirkungen der Umlagerung von Wedeler Baggergut, Seite 316

 

Wenn wir uns das Cuxhavener Watt heute im Jahr 2017 ansehen, erübrigt sich wohl eine nachgelagerte Untersuchung. Mit bloßem Auge ist der traurige Zustand des Watts mit den einst zahlreichen Lebewesen erkennbar. Nicht einmal mehr die lustigen „Wattwurmkringel“ sind im ufernahen Bereich zu finden. Das einzigartige schöne Sandwatt, wie wir es alle in guter Erinnerung haben, ähnelt im ufernahen Bereich heute einer verödeten Mondlandschaft.

 

Dennoch würden wir gerne erfahren, ob eine Untersuchung zu den Auswirkungen auf das Makrozoobenthos stattgefunden hat und wo die Ergebnisse zu finden sind.

 

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Tanja Schlampp 

Döser Feldweg 195

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