Wattenmeer-Schutz Cuxhaven
Wattenmeer-Schutz Cuxhaven

Sie wollen "Der Natur auf die Sprünge helfen". Die Aussagen von WSA und HPA im Faktencheck 

Tanja Schlampp, Wattenmeer-Schutz, 26.08.2020

 

In der Berichterstattung der Cuxhavener Nachrichten vom 15.08.2020 und der Niederelbe Zeitung vom 14.08.2020 kommen die Elbvertiefer zu Wort. Von Naturschutz ist dort die Rede und von unbelasterten Baggergut. Hier die Kernaussagen im WS-Faktencheck:

 

Jörg Osterwald (WSA Hamburg): "Die Elbvertiefung hat nur zum geringeren Teil etwas mit dem Ausbau der Fahrrinne zu tun, dafür aber zum deutlich größeren etwas mit Naturschutz."

 

+++ Die Unterwasserablagerungsflächen (UWA) Medemrinne und Neufelder Sand, deren Errichtung Naturschützern die Tränen in die Augen treiben, haben laut Osterwald die Aufgabe, zum einen die Stromgeschwindigkeit, zu drosseln, zum anderen den Querschnitt der Hauptfahrrinne zu vergrößern und drittens den Tidehub zu dämpfen. Dieses Strombaukonzept; das so erstmals in der langen Geschichte der Flußvertiefungen angewendet wird, soll aber vor allem eine Anstosswirkung zur Neubildung von Wattflächen entfalten. Per Strömungslenkung wollen die Wasserbauer eine harmonischere Führung des Flusses erzielen und zugleich mit einer verstärkten Sedimentation Bodenaufwuchs auf Schleswig-Holsteiner Seite auslösen. Der Natur auf die Sprünge helfen, lautet der Ansatz, von dem die Kritiker allerdings alles andere als überzeugt sind. +++

 

WS-Faktencheck: Die Aussage, die Elbvertiefung diene mehr dem Naturschutz, ist nicht nur falsch, sondern grenzt schon an Blasphemie.

Während der Baggerarbeiten im Mündungstrichter sind unzählige tote Fische mit mechanischen Verletzungen und enthauptete Robben und junge Schweinswale angespült worden. Das LAVES-Institut in Oldenburg hat bei den Fischen die Einwirkung stumpfer Traumen festgestellt, die durch Schiffsschrauben, Sog- und Wellenschlag oder auch durch Baggerarbeiten hervorgerufen worden sein könnten. Auffällig sei das plötzliche Auftreten des Fischsterbens und der zeitliche Zusammenhang mit den umfassenden Baggerarbeiten vor Otterndorf, ebenso das Ausbleiben verendeter Fische nach Beendigung der Baggerarbeiten, so das LAVES.

 

Bei den Unterwasserablagerungsflächen (UWA) erfolgt eine Biotopumwandlung in den Bereichen, in denen eine sichernde Oberflächenabdeckung der Böschungen und der strömungsexponierten Bereiche mit einer Korngemischschüttung erforderlich ist. Für den Bau der UWA Medemrinne-Ost erfolgt auf einer Fläche von 190 ha des Biotoptyps "naturnahes Sublitoral im Brackwasserästuar" der Wertstufe 5 eine Biotopabstufung in die Wertstufe 1 des Biotoptyps "Künstliches Hartsubstrat im Küstenbereich". In dem Planfeststellungsbeschluss heißt es dazu

"Diese Auswirkungen sind deutlich negativ, langfristig und lokal"

 

Neben den Baggerarbeiten hat die permanente Umlagerung von Baggerschlick, gemäß einschlägiger Studien der Bundesanstalt für Gewässerkunde, schwerwiegende Auswirkungen auf das Ökosystem Wattenmeer, die auch nach der Elbvertiefung langfristig Bestand haben:

  1. Veränderung der Bakteriengemeinschaften (Einschleppung von Süßwasserbakterien)
  2. Veränderung der Sedimentzusammensetzung (Schluffe und Feinsande statt grobkörniges Sediment)
  3. Verlust von tiefen Rinnen und Prielen und damit der Verlust von Lebensräumen und Laichgebieten
  4. Tötung der Benthoslebensgemeinschaften auf einer Fläche von mindestens 17,4 Mio. Quadratmetern direkt an der Einbringstelle und darüber hinaus.
  5. Eine permanente Beschleunigung und Verstärkung der Schadstoffeinträge in das Küstengewässer und den umliegenden Watten. Die umgelagerten Sedimente sind im Vergleich des Küstennahbereichs deutlich höher mit Schadstoffen belastet und sind regelmäßig in den Fall 3 nach GÜBAK einzuordnen.
  6. Anreicherung zahlreicher Schadstoffe (u.a. Quecksilber, DDT) in der Nahrungskette, die bereits heute schon nachweisbar sind
  7. Sauerstoffzehrung des Küstengewässers und der Watten durch Algenblüte
  8. Grauer, sauerstoffarmer Schlick, der sich wie ein Leichentuch auf das sauerstoffreiche, hellbraune Sandwatt legt.
  9. Stoffliche Belastung und langfristige Wirkung auf die Meeresumwelt und der Wattflächen
Das Ökosystem der Elbe steht bereits vor einem Kollaps. In den letzten 5 Jahren ist die Stintpopulation zusammengebrochen. Der Stint ist eine Schlüsselart im Ökosystem. Ohne den Stint wird sich die biologische Vielfalt an der Tideelbe dramatisch verändern. Denn der Stint macht 90 Prozent der Fische in der Elbe aus. Schweinswale, Flußseeschwalben und viele andere Tierarten sind von ihm abhängig. Der Stint durchquert zum Laichen den Mündungstrichter. Der Wanderkorridor verläuft parallel zur Mega-Klappstelle Neuer Lüchtergrund. Biologen und Elbfischer machen die seit der letzten Elbvertiefung stark zugenommene Unterhaltungsbaggerei und die dadurch hervorgerufene Trübung der Elbe für den Einbruch der Stint-Population verantwortlich. Mit der 9. Elbvertiefung wird auch der Mündungstrichter zu einer trüben Suppe. (siehe hierzu den NDR-Filmbeitrag von Holger Vogt: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/naturnah/Der-Stint-Ein-Fisch-und-seinFluss,sendung878920.html. 
 

 

Meyer (WSA): "Wir baggern überwiegend Sand" / "Unser Baggergut ist weitestgehend unbelastet"

+++ Bei dem in die UWAs eingebautem Material handele es sich in keiner Weise um "Giftschlick", wie es die Elbvertiefungsgegner gerne darstellten, so Bernhard Meyer, Leiter der WSA Cuxhaven und Hamburg. Wir baggern überwiegend Sand. Giftiges Material haftet nur an Kleinstpartikeln an, nicht an grobkörnigeren Sand. Unser Baggergut ist weitestgehend unbelastet.+++

 

WS-Faktenscheck: Was heißt hier eigentlich weitestgehend? Die UWA Neufelder Sand ist mit einer Größe von 490 ha und der Unterbringung von 10,2 Mio. m3 Baggergut die zweitgrößte Ablagerungsfläche im Außenelbebereich. In die UWA Neufelder Sand werden Feinsande und Schluffe (Schlick) untergebracht. 

Die Aussage "Wir baggern überwiegend Sand" ist irreführend.

Denn es werden eben nicht nur Sand, sondern auch Schluffe (Korngröße kleiner 0,063 mm) von mehreren Millionen Kubikmetern gebaggert. 

Die Aussage "Unser Baggergut ist weitestgehend unbelastet" ist falsch.

Schluffe sind Feinstpartikeln an denen giftiges Material**, wie von Meyer beschrieben, besonders gut haftet. Und in Feinsande* sind bestimmte Schadstoffe wie Phosphor und Stickstoff nachweisbar. Ein Überangebot an Phosphor und Stickstoff führt zur Algenblüte und Eutrophierung des Gewässers.

Auf das schluffige ökotoxische Material soll nach der 2-jährigen Einbringphase ein "Deckel" aus groben Sand erfolgen, um ein Verdriften des giftigen Schlicks zu verhindern.

*Bei Sand unterscheidet man in Korngrößen grob (2 mm), mittel (0,63 mm), fein (0,2 mm). 

** Schwermetalle (Arsen, Blei, Quecksilber, Cadmium, Kupfer, Nickel, Zink), Kohlenwasserstoffe, Chlororganische Verbindungen, PCB, DDD, ... 

 

Flecken (HPA): "Das Material, das Hamburg zur Tonne E 3 vor Helgoland in die Nordsee verbringt ist ebenfalls weitestgehend unbelastet"

Claudia Flecken von der Geschäftsleitung der Hamburg Port Authority:

"Die Verschlickung des Hamburger Hafens hat zugenommen, weil der Fluss nicht mehr in der Lage ist, selbst Sedimente aus dem Fluss zur Nordsee zu transportieren. Im Gegenteil, der Flutstrom spült mehr Schlick in die Elbe hinein, als umgekehrt. "Wir bringen nur beprobte und freigegebene, frische Sedimente in der Nordsee aus, weil es die Natur nicht mehr schafft". so Flecken."

 

+++ Das höher belastete Material aus den tieferen Schichten im Boden der Hafenbecken werde an Land deponiert. +++

 

WS-Faktencheck: Die Aussage, das Material sei unbelastet, ist falsch. Im Genehmigungsbescheid des Schleswig-Holsteinischen Umweltministeriums (Melur) sind die Schäden, welche die Verklappungen von Hamburger Schlick an der Meeresumwelt anrichten, beschrieben. Es sei zu erwarten heißt es dort, dass es durch die anstehende Einbringung von Baggergut zu weiteren Sedimentveränderungen in den Einbringbereichen selbst sowie durch die Sedimentverdriftung beim Einbringungsvorgang und in den Folgejahren durch Strömungen auftretenden Verdriftungen weitere Beeinträchtigungen der Meeresumwelt zu erwarten sei. Es sei langfristig eine Anreicherung der hier verbrachten Schadstoffe in der Nahrungskette nicht auszuschließen. Weiter heißt es im Genehmigungsbescheid des Melur:

 

"Hiervon betroffen sind Benthosgemeinschaften, die sich im Einbringbereich selbst in ihrer Abundanzund Artenzahl verringert haben, wie auch für die diesen Raum großräumig mitnutzenden Fische, Meeressäuger und Vögel. Durch die Einbringung entstehen mit der Verdriftung des Baggerguts Trübungsfahnen und es kommt zu Geräuschemmissionen ... Die Einbringung des Baggerguts aus den o.g. Unterhaltungsmaßnahmen wird über den Einbringungsvorgang hinaus aufgrund der stofflichen Belastung eine langfristige Wirkung auf die Meeresumwelt haben. Sie stellt daher neben einer Veränderung der Gestalt und der Nutzung von Grundflächen einen Eingriff gemäß §14 Abs. 1 BNatSchG dar, da hierdurch die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts erheblich beeinträchtigt werden kann."

 

Anstatt die Verklappungen umgehend zu stoppen, hat das Melur Schleswig-Holstein eine Ersatzzahlung als Ausgleich für die Schäden an der Meeresumwelt festgelegt:

"Es verbleiben somit unvermeidbare Beeinträchtigungen der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts, die nicht ausgeglichen oder ersetzt werden können, da ein störungsfreier Meeresboden und ein schadstoffreies Meeresgewässer an anderer Stelle nicht hergestellt werden kann. Für die verbleibenden Beeinträchtigungen wird daher eine Ersatzzahlung festgelegt." (Melur Genehmigungsbescheid, S. 15)

 

Kontakt

Tanja Schlampp 

Döser Feldweg 195

27476 Cuxhaven

Telefon: 04721-39 86 46

mobil: 0177-86 48 396

email: Tanja.Schlampp@wattenmeer-schutz.de

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