Tanja Schlampp, 28. November 2018
Cuxhaven liegt direkt an einem UNESCO Weltnaturerbe. Die Wattflächen vor Cuxhaven gehören zum größten zusammenhängenden Wattgebiet der Welt, das sich von den Niederlanden über Deutschland bis hinauf nach Dänemark erstreckt. Zum Weltnaturerbe werden nur jene Stätte ausgezeichnet, die aufgrund ihrer geologischen und ökologischen Prozesse einen außergewöhnlichen universellen Wert besitzen und für den Erhalt der biologischen Vielfalt unverzichtbar sind. Ein Naturgebiet, dass für gegenwärtige und künftige Generationen von Bedeutung ist und dessen Schädigung ein unermesslicher Verlust für die gesamte Menschheit wäre.
Um so unverständlicher, dass diese wertvolle und schützenswerte Naturlandschaft, die es so in der Welt kein zweites Mal gibt, für die Erreichbarkeit des Hamburger Hafens in einem rasanten Tempo zerstört wird.
Für die Schifffahrt wurde die Tideelbe seit Bestehen des Hamburger Hafens 8x vertieft. Die neunte Flußvertiefung steht unmittelbar bevor. Aus einem wilden Fluß, der ursprünglich eine Tiefe von 2 Metern hatte, ist ein kanalartiger Schifffahrtsweg geworden mit einer unnatürlichen Tiefe von 14,8 m. Die massiven Eingriffe haben dazu geführt, dass die Tideelbe zwischen Hamburg und dem Mündungstrichter als erheblich verändert gilt. Nur die Außenelbe Nord vor Cuxhaven wird als einziger Wasserkörper der Tideelbe noch (!) als natürliches Gewässer eingestuft.
Seit der letzten Elbvertiefung im Jahr 2000 sind die Baggermengen zur Freihaltung des Schiffahrtsweges bei Wedel und im Hamburger Hafen um ein Vielfaches angestiegen. Der gebaggerte Schlick ist mit Schadstoffen belastet und darf aus ökologischen Gründen (Laichzeit Stinte, Sauerstofflöcher) von April bis November nicht mehr in der Elbe bei Hamburg umgelagert werden.
Seit 2006 wird Baggergut aus den nahe Hamburger Hafen gelegenen Bereichen Wedel, Lühesand und Juelssand nicht mehr ortsnah1, sondern stromab bei Brunsbüttel/Osteriff (St. Margarethen) und Neuer Lüchtergrund/Neuwerk umgelagert. Der Schlick aus dem Hamburger Hafen2 wird seit 2005 nicht mehr vollständig ortsnah bei Neßsand, sondern zusätzlich zwischen Helgoland und Scharhörn entsorgt.
Die Schüttstellen bei Neuer Lüchtergrund und Neuwerk liegen unmittelbar am Weltnaturerbe Wattenmeer vor Cuxhaven. Aktuell werden jährlich bis zu 10 Mio. Kubikmeter Baggerschlick dorthin verbracht. Nicht selten sind bis zu drei Baggerschiffe dafür rund-um-die-Uhr im Einsatz.
Die Unterbringung von schlickigen Baggergut vor Cuxhaven verfüllt die tiefen Rinnen und Priele bis hin zu einer kompletten Auflandung. Das flache Wasser und die vielen Priele sind jedoch als Kinderstube überlebenswichtig für viele Nordseefische und für die hier typisch vorkommenden Krabben (Nordseegarnelen). Sie finden hier Nahrung und Schutz.
Die verklappten Sedimente beschleunigen einen Prozeß, der durch den Bau eines verhängnisvollen Strombauwerks eingeleitet worden ist. Ein 10 km langer Leitdamm trennt das Elbefahrwasser von der Neuwerker bzw. Kugelbakefahrrinne und sorgt für einen großflächigen strömungsberuhigten Bereich. Die dadurch entstandene Zunahme der Trübungszone südwestlich des Leitdamms begünstigt zusätzlich die Ablagerung der Sedimente. Ferner sorgt der Leitdamm dafür, dass alle Sedimente, die in das Watt gespült werden (auch die aus den Verklappungen), abgefangen werden. Die eingetragenen Schlickablagerungen können nicht wie früher wieder durch die natürliche Strömung seewärts transportiert werden, sondern werden wie von einem riesigen Fangarm aufgehalten.
Wir fordern daher, die Umlagerung von Schlick aus der Tideelbe in die Außenelbe vor Cuxhaven zu stoppen. Zusätzlich rufen wir dazu auf, den Leitdamm an mehreren Stellen zu öffnen3, um das hydrodynamische Gleichgewicht wieder herzustellen.
1 ortsnah = Umlagerung in der Nähe der Baggerstelle 2 Vor 1994 wurde der Hamburger Hafenschlick an Land entsorgt und auf landwirtschaftliche Nutzflächen ausgebracht. Das ging solange gut, bis die Landwirte aufgrund der hohen Schadstoffgehalte in den Böden Alarm geschlagen haben. Seitdem wird der Hamburger Hafenschlick im Gewässer umgelagert. 3 Als Alternative für eine Öffnung käme auch eine Absenkung der Leitdammkrone in Betracht oder mehrere große Unterrohrungen des steinernen Leitdamms. Optimal wäre sicherlich ein kompletter (oder teilweiser) Rückbau des Leitdamms. Damit wäre der natürliche Zustand wieder hergestellt. Doch diese Optimallösung ist hinsichtlich der wirtschaftlichen Interessen am Elbeschifffahrtsweg kaum durchsetzbar.