Initiative Wattenmeer-Schutz Cuxhaven (ts), 05.09.2020
Seit Mitte August sind auffallend viele tote Wattwürmer sowie Muschelkörper - Schalen und Muschelfleisch - im Watt vor Cuxhaven zu beobachten. Seit Ende des Monats werden darüber hinaus massenhaft tote Herzmuscheln und Wattschnecken an den Küstensaum angespült. Sind diese Naturphänomene allein auf die Hitze zurück zu führen oder gibt es Zusammenhänge mit den massiven Eingriffen am Mündungstrichter, die im Rahmen der aktuellen Elbvertiefung durchgeführt werden?
Antworten zu den möglichen Ursachen wurden kürzlich im Umweltausschuss der Stadt Cuxhaven verlesen. Die Experten der Nationalparkverwaltungen Hamburgisches und Niedersächsisches Wattenmeer sowie der Schutzstation Wattenmeer gehen übereinstimmend davon aus, dass das Massensterben durch die extreme Hitze der vergangenen Tage und daraus folgende Sauerstoffdefizite hervorgerufen worden sei. Bei der Hitze könne das Wasser weniger Sauerstoff aufnehmen, während die Tiere um so mehr Sauerstoff verbrauchen, je wärmer es ist.
Das ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, aber es ist m.E. auch nur die halbe Wahrheit. Die Hitze und lang andauernde Trockenheit ist eine große Belastung für die Wattbewohner. Diese sind an schwierige Sauerstoffverhältnisse jedoch gut angepasst. Es muss also mindestens noch ein weiterer Faktor hinzukommen, um ein Massensterben dieser Größenordnung auszulösen. Welche(r) könnte(n) das sein?
Trotz der Hitze wird auf das Ökosystem Wattenmeer keine Rücksicht genommen. Im Rahmen der Elbvertiefung haben im Juni die Arbeiten am Mündungstrichter Fahrt aufgenommen mit umfangreichen Aufspülungen der Medemrinne. Zusätzlich laufen die Umlagerungen der Fahrrinnenunterhaltung weiter. Das heißt, es werden entlang der 100 km langen Fahrrinne zwischen Hamburg und Cuxhaven, Sedimente aufgesogen und im Mündungstrichter sowie der Außenelbe in Höhe Neuwerk verklappt. Die aufgewirbelten feinen Sedimente sind stark sauerstoffzehrend. Bildlich kann man sich das vorstellen, als wenn wir bei 40 Grad im Sommer zusätzlich durch eine Ladung Feinstaub durchgehen müssen. Wir können uns in unseren Häusern davor schützen. Die Meeresbewohner haben diese Möglichkeit nicht.
Die Muscheln und Wattwürmer übernehmen überlebenswichtige Funktionen im sensiblen Ökosystem Wattenmeer. Sie sind wie die Lunge und Leber eines lebendigen Organismus. Ohne sie würde das Wattenmeer zu einer stinkenden Kloake verkommen.
Die Fotos sind im August/September 2020 entstanden. Trotz des Massensterbens wurde weiter massenhaft sauerstoffzehrender Schlick verklappt. Bildrechte: Tanja Schlampp