„Anstatt nach Wegen zu suchen, das bei Hafenbaggerungen und Flussvertiefungen aufgenommene und in die Nordsee und das Wattenmeer eingebrachte giftige Material aus dem natürlichen System zu entnehmen, wird gerade auch heute noch auf möglichst undurchsichtige Weise noch mehr Gift und Schlick dazu gepackt”
Gerd-Christian Wagner
Varel/Nordsee/Hamburg, Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN), Peter Andryszak
„Anstatt nach Wegen zu suchen, das bei Hafenbaggerungen und Flussvertiefungen aufgenommene und in die Nordsee und das Wattenmeer eingebrachte giftige Material aus dem natürlichen System zu entnehmen, wird gerade auch heute noch auf möglichst undurchsichtige Weise noch mehr Gift und Schlick dazu gepackt,”
resümiert Bürgermeister und SDN-Vorsitzender Gerd-Christian Wagner zur aktuellen Absicht der Hamburger Hafenverwaltung HPA, Millionen Tonnen ihres teilweise hoch belasteten Hafen-Schlicks zwischen Nationalpark Wattenmeer und Elbfahrrinne, nahe der Vogelschutzinsel Scharhörn, und in der AWZ zu verklappen.
Dabei stünde Deutschland im Rahmen der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) sowie der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in der Pflicht, seine Gewässer in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen und zu erhalten. „100 Gramm Quecksilber bleiben 100 Gramm Quecksilber”, so Wagner weiter, „auch wenn ihre Konzentration im Schlick über mehrere Zwischenstationen wie Neßsand und Neuer Lüchtergrund hinweg verdünnt wird, bevor sie im Wattenmeer auf den Grund verklappt werden und weiter verdriften.”
Alle verantwortlich Beteiligte müssten sich einfach zu ihrer umweltschonenden Verpflichtung bekennen und gemeinsam eine sowohl echte wie nachhaltige Lösung gegen ihre bisher eher
destruktive Handlungsweise suchen.
Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) weise gerade in Sachen Verklappung von Hafenschlick schon seit vielen Jahren immer wieder auf eine lange Reihe möglicher, wahrscheinlicher wie
auch erfolgter Auswirkungen für Mensch und Natur hin. So habe bereits die achte Elbvertiefung 1999, trotz aller werbemäßigen Verharmlosungen, zu deutlich höherem Sedimenttransport geführt und
damit die Verschlickung der wertvollen Flachwasserbereiche und Häfen hervorgerufen. Und die letzte Flussvertiefung setze dem aktuell, trotz aller vorherigen Beschwichtigungen, noch die Krone auf.
Zudem habe die biologische Vielfalt in der Elbe weiter stark abgenommen, was sich gerade in der Fischerei beweise. Wo einst über 1000 Fischerfamilien satt wurden, sind heute gerade noch vier
geblieben und denen fehle es aktuell, neben manchen anderen Fischarten, an kompletten Jahrgängen der Schlüsselart Stint.
Aus diesen vielen schlechten Erfahrungen gelernt habe man scheinbar nicht, so der SDN-Vorsitzende weiter. „Sicher hat der Hamburger Hafen eine wichtige wirtschaftliche
Bedeutung“, führt er weiter aus, „aber natürlich muss dem Schutz der lebenden Umwelt des Wattenmeeres sowie der Nordsee und den Flussästuaren prioritäre Bedeutung beigemessen werden!“ Rechtlich sei
das Einbringen von Hafenschlick eine Form der Abfallbeseitigung, erläutert Wagner weiter. „Hierfür gilt der Vorrang einer Verwertung. Auch für Kommunen, mittelständische Betriebe und
natürlich ebenso für die Hansestadt.“ Stattdessen würde aber mit kurzsichtiger hanseatischer Wirtschaftsdenke, Ignoranz gegenüber Konsequenzen für andere und gefälligen Gutachten nebst
Nutzung anderer Kostenträger an alten Denk- wie Handlungsweisen festgehalten. Und die beinhalten auch noch verdeckt, aus der Fahrrinne in der Außenelbe allmählich möglichst einen tiefen und
gefälligen Schifffahrts-Kanal zu formen.
„Unsere Wälder und Moore haben wir bereits in ähnlicher Denkrichtung weitgehend zerstört. Soll nun denn die Nordsee dem auch noch folgen?“ Der unteren Elbe drohe bereits schon jetzt, ihre Qualität
als artenreicher Lebensraum zu verlieren, ist Gerd-Christian Wagner überzeugt. „Wie lange soll das noch so weitergehen?” Es wäre doch einfach widersinnig, ein Problem zu schaffen und es anschließend
als Begründung zu nutzen, mit gleicher Methodik wie bisher, eine Verschärfung des bestehenden Problems als „Lösung“ zu präsentieren. „Es ist einfach an der Zeit wirklich umzudenken!“,
appelliert Wagner an die umweltbezogene Vernunft aller verantwortlich Beteiligten. „Wir müssen sofort damit anfangen und nicht nur immer mehr oder weniger „vernünftige“ Wirtschaftsziele zum
alleinigen Maß aller Dinge machen.“
Und somit fordert die Schutzgemeinschaft von den politisch verantwortlichen im Bund und den Küstenländern:
Zusatz-Info:
Mögliche Gefahren durch eine Flussvertiefung:
Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN)
ist ein überregionaler und gemeinnütziger Umweltschutz-Dachverband, der 1973 ins Leben gerufen wurde und sich seitdem sachlich-fachlich und partei-übergreifend für den Schutz der Nordsee als Lebens-,
Wirtschafts- und Naturraum engagiert. Sie dient rund 200 Kommunen, Landkreisen, Naturschutzvereinen, Instituten, Verbänden und Einzelmitgliedern als Sprachrohr. Gemeinsames Ziel: die Eigenarten und
Schönheiten der Nordsee, des Wattenmeeres und der angrenzenden Küste vor schädigenden Eingriffen durch den Menschen zu schützen und Probleme des Nordseeschutzes einer Lösung zuzuführen.
Einige Maßnahmen der letzten Jahrzehnte, bei denen die SDN als Lobbyverband die Belange der Küste vertreten hat und die inzwischen als weitgehend abgearbeitet gelten dürften, sind die Dünnsäure-,
Abfall-, und Klärschlammverklappung, die Anschaffung moderner Notschlepper, das Notschleppkonzept, Antifouling, Luftüberwachung, Ballastwasser, Tankreinigung, MARPOL I bis IV, u.a.m.
Die SDN ist Mitglied der KIMO International: http://www.kimointernational.org
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